Rechenschieber

Schätztipps

Was sollte man in der Praxis beachten?

Hier noch einige praxisrelevante Punkte, die bei der Projektschätzung mit WBS oder der ROM-Grobschätzung helfen können.

Was erwartet Sie?

Tipps & Tricks

Wie gross sollte man die Arbeitspakete wählen?

Wie fein sollten die Arbeitspakete unterteilt sein, wenn man eine WBS für die Projektschätzung erstellt? Ein einzelnes Arbeitspaket sollte nicht mehr als 40 Stunden umfassen, da Aufwände bis zu dieser Grössenordnung für den Menschen greif- und vorstellbar sind.

In Einzelfällen können es auch maximal 80 Stunden sein – bei vielen solchen oder gar grösseren Paketen empfiehlt es sich jedoch, diese weiter aufzuteilen. Bei zu grossen Einheiten neigen wir sonst dazu, einzelne Teilschritte zu vergessen.

Wie kann man Debugging-Aufwand schätzen?

Es gibt Pakete in der WBS, die sich nicht so einfach schätzen lassen, zum Beispiel Debugging während Integration und Test. Wie viele Fehler werden da wohl auftauchen?

Historische Daten aus früheren Projekten liefern hier sehr gute Anhaltspunkte. In einem Projekt ähnlicher Komplexität wurden vielleicht 5 % des Aufwands für Test und Debugging verwendet, also kann man annehmen, dass es für das zu schätzende Projekt ähnlich sein wird.

Diese Prozentsätze können auch direkt zur Grobschätzung beigezogen werden. So wissen wir zum Beispiel, dass die System Design Phase ziemlich genau 10 % des Projektaufwands ausmacht. Wenn diese Phase abgeschlossen ist, können wir das ganze Projekt recht gut abschätzen.

Planung

Was nützt mir eine Schätzung mit so grosser Unsicherheit?

Was nützt es, ein Arbeitspaket mit 8 bis 40 Stunden abzuschätzen? Was soll ich als Entscheider mit einer solchen Bandbreite anfangen?

Hier kommt uns eine wichtige Aussage der Wahrscheinlichkeitsrechnung entgegen, die dafür sorgt, dass die Summe der Schätzungen einer genügend grossen Anzahl von Arbeitspaketen zu einer kleineren Bandbreite der gesamten Schätzung führt. Zum Beispiel können 10 Arbeitspakete mit Schätzungen von 20 bis 60 Stunden zu einer Gesamtschätzung von 180 bis 350 Stunden führen, das heisst die Bandbreite reduziert sich selbst bei wenigen Paketen von 200 % auf 100 %.

Praktisch heisst das, dass die Schätzer ihre Unsicherheit über das einzelne Arbeitspaket voll in die Schätzung einfliessen lassen können beziehungsweise sogar einfliessen lassen müssen. Das Resultat der Schätzung wird für einen Entscheid oder eine erste Planung genügend genau sein.

Der Aufwand ist ein Jahr, also ist das Projekt in einem Jahr fertig!

Bei der Planung der Meilensteine basierend auf der Aufwandsschätzung und den vorhandenen Ressourcen ist es wichtig, eine sinnvolle Auslastung anzunehmen. Es ist mit Ferien und anderen Abwesenheiten sowie mit internen Arbeiten, Weiterbildungen, Administration etc. praktisch unmöglich, jede Arbeitsstunde produktiv für das Projekt einzusetzen.

Schätzaufwand

Wieso so ein Aufstand, das macht bei uns der Leiter vor der Mittagspause!

Der heroische Ansatz, wonach der beste Mitarbeiter / die beste Mitarbeiterin eine Schätzung liefern soll, ist weit verbreitet. Doch wie gut ist Ihr Held / Ihre Heldin?

Vielleicht hilft es, mehrere solcher Helden zu befragen? Doch was passiert, wenn alle anderen dem Leithammel nachlaufen? Was tun gegen Groupthink? Das Problem ist schon seit einiger Zeit gelöst: mit der Delphi-Methode, auch bekannt als Planning Poker.

Wie begrenzt man den Schätzaufwand?

Die Schätzungen selbst sollten immer budgetiert beziehungsweise zeitlich begrenzt werden. Wenn die Ingenieure erst mal am Diskutieren sind, läuft der Aufwand für eine Schätzung sonst schnell ins Unermessliche. Für die zeitliche Begrenzung eignen sich zum Beispiel die TimeTimer oder eine Eieruhr.

Bei der Budgetierung von Schätzungen (der Schätzung des Schätzaufwands) sollte man realistische Werte verwenden, denn für wirklich grosse Projekte ist auch der Schätzaufwand entsprechend hoch. Für ein grosses Projekt investiert Solcept etwa 1% des Projektaufwands in die Schätzung.

Die Investition lohnt sich, da durch weniger Schätzfehler eine genauere, effiziente Planung möglich ist und Massnahmen früh eingeleitet werden können. Zum Beispiel lässt sich ein erstes Produkt mit kleinerem Funktionsumfang frühzeitig auf den Markt bringen, wenn man sieht, dass die Entwicklung der gesamten Produktpalette zu lange dauert.

Zusätzlich verringert sich der Aufwand für das Projektmanagement, denn die Projektschätzung liefert mit der WBS und der Risikotabelle alle Informationen für den ersten Planungsschritt. Zum Beispiel, indem man die Work Breakdown Structure mit allen Informationen in einen Backlog überführt, was sogar automatisch gemacht werden kann.

Historische Daten

Wie kann man die Schätzung verifizieren?

Der wohl beste Weg zur Verifikation ist die Verwendung historischer Daten. Was war der Aufwand für das letzte, ähnlich komplexe Projekt? Dieses sollte mindestens in der Grössenordnung mit dem geschätzten Resultat übereinstimmen.

Und wie kommt man zu solchen historischen Daten?

Um historischen Daten für Schätzungen beiziehen zu können, muss man sie erst mal haben. Das heisst, dass für jedes Projekt ein Controlling des Aufwands mit genügender Granularität stattfinden muss. Zum Beispiel kann man die Aufwände pro Projektphase erfassen.

Wichtig ist, dass die Struktur der Erfassung mit der Struktur der Abschätzung, also zum Beispiel dem Projektlebenszyklus, zusammenfällt, sonst wird der Vergleich schwierig. So ergibt sich mit der Zeit eine Datenbank, welche die Schätzungen unterstützt.

Bei Solcept haben wir eine Art «Round Trip» eingerichtet, indem aus der Schätzung für ein Projekt gerade die Tickets in unserem Ticketsystem (Jira) für das Projekt erzeugt werden. Die Struktur der WBS entlang von Projektphasen wird in diesen Tickets abgebildet. Neue Tickets werden sofort den Projektphasen nach dem Projektlebenszyklus zugeordnet.

Auf den Tickets findet dann die ganze Zeiterfassung der Mitarbeitenden statt. Nach Ende des Projekts können wir die Daten der Zeiterfassung über den Projektlebenszyklus mit einer Business-Intelligence-Lösung auswerten und für neue Schätzungen verwenden.

Planning Poker Nutzung

Wie macht man eine Zweipunktschätzung?

Da die Karten eine mehr oder weniger logarithmische Skala aufweisen (0, 1, 2, 4, 8, 20, 40, 80), landet man bei einer Zweipunktschätzung für den Maximalaufwand, das heisst den schlechtesten Fall, eigentlich immer beim doppelten des normalen Aufwands. Das lässt sich verhindern, indem die Schätzer die Differenz zum Normalfall angeben, den «Spread» der Schätzung, das heisst bei einem Normalfall von 20 Stunden geben die Schätzer die Differenz als z.B. 8 Stunden an, was zu einem Maximalaufwand von 28 Stunden führt.

Und den Preis muss ich auch noch schätzen!

Die angegebenen Methoden lassen sich abwandeln, um Grössen wie Fabrikationspreise, Stromverbrauch etc. zu schätzen. Vor allem Planning Poker lässt sich sehr gut verwenden. Die Zahlen werden dann zum Beispiel als Geldwert oder Leistung interpretiert (4 als 40 EUR oder 8 als 8 mW). Hier kann man durchaus kreativ sein.

Was machen Risiken in der Aufwandsschätzung?

«If a project has no risks,  don’t do it!» Tom DeMarco, Timothy Lister

Hier sind nicht nur die einer Schätzung inhärenten Unschärfen, sondern vor allem die Risiken gemeint, die darüber hinaus auftreten könnten. Hierbei handelt es sich immer um falsche Annahmen, die so nicht eintreffen und zusätzliche Aufwände auslösen. Beispiele sind Bauteilabkündigungen, fehlende oder fehlerhafte Vorleistungen, sich ändernde Standards, nicht funktionierende Technologien und vor allem Änderungen in den Anforderungen.

Ohne diese Risiken bewusst zu managen, macht Projektmanagement keinen Sinn [T. DeMarco, T. Lister: «Waltzing with Bears: Managing Risk on Software Projects», 2003 ISBN 0-9326633-60-9].

Da es für manche Risiken einfacher ist, sie als Annahmen zu formulieren, andere als restliche Risiken (d.h. Risiken, die über die abgeschätzte Unschärfe hinausgehen), verwenden wir in jeder Schätztabelle zwei Spalten, eine für Annahmen, eine für Risiken. Diese können entweder bei der Erstellung der Struktur (WBS/ FBS) oder dann als Resultat der Diskussionen während des Planning Poker eingefüllt werden. Das ist neben dem geschätzten Aufwand das wichtigste Resultat aus den Diskussionen während des Planning Poker.

Um das gesamte Risiko abschätzen zu können, werden nun alle Annahmen und restlichen Risiken in einer Risikotabelle gesammelt. Annahmen werden zu Risiken umformuliert: Aus der Annahme «die eingekaufte USB- Software funktioniert» wird das Risiko «die eingekaufte USB-Software funktioniert nicht». Alle Risiken werden dann abgeschätzt gemäss Risikomanagement.

Da auch wir immer besser werden möchten, geben Sie unten bitte Kommentare, Ideen, Vorschläge und Fragen ein. Ich werde sie dann in eine nächste Version einfliessen lassen.

Andreas Stucki

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