Analoge Filter werden aus zwei unterschiedlichen Gründen zwischen Sensor und A/D-Wandler eingefügt:
Im Fall A kann das analoge Filter in den meisten Fällen durch ein digitales Filter ersetzt werden. Es ist immer möglich ein digitales Filter so zu entwerfen, dass es weitgehend dieselben Eigenschaften hat wie ein analoges Filter. Beide Filterarten sind also austauschbar. (Einzige Ausnahme: die Störungen sind so stark, dass sie zu Clipping oder anderen nicht-linearen Effekten vor der Digitalisierung führen).
Dank der hohen Rechenleistung heutiger Datenerfassungssysteme gibt es daher keinen Grund mehr solche Filter analog zu implementieren. Eine korrekt durchgeführte digitale Reduktion der Abtastrate mit sorgfältig gewählten, digitalen Tiefpassfiltern kann die Störungen mindestens gleich gut reduzieren.
Im Fall B müssen Sie überlegen, ob Aliasing-Effekte in Ihrer Anwendung überhaupt in nennenswertem Umfang auftreten. Die geringe Signalbandbreite der üblichen Sensoren zusammen mit einer vergleichsweise hohen Abtastrate sorgt dafür, dass der Sensor bereits selbst als anti-aliasing Filter für hochfrequente Signalanteile wirkt. Das zusätzliche analoge anti-aliasing Filter muss also nur Rauschanteile und Störungen, die weit über der Nyquist-Frequenz liegen, soweit dämpfen, dass sie nicht in das Nutzband gespiegelt werden.
Das Optimum ist erreicht, wenn die Dämpfung so hoch ist, dass kleine Signale nicht mehr durch das Aliasing verdeckt werden. Kritisch ist dabei vor allem der Frequenzbereich in der Nähe der Abtastrate. Nur wenn Ihr Sensorsignal hier signifikante Störanteile aufweist, benötigen Sie ein analoges Filter. Und nur für diesen Frequenzbereich müssen Sie das analoge Filter auslegen. Sie können auch bereits bekannte, schmalbandige Störquellen durch geschickte Wahl der Abtastrate in Frequenzbereiche verschieben, wo sie einfacher weggefiltert werden können.
Je höher Sie die Abtastrate des Systems wählen, desto einfacher wird das Design des analogen anti-aliasing Filters. Selbst wenn Ihr Sensor hochfrequente Signalanteile produzieren sollte, ist es meistens einfacher die Abtastrate zu erhöhen, statt ein aufwändiges analoges Filter zu entwerfen. Wenn das Sensorsignal erst einmal digitalisiert ist, können Sie die Abtastrate wieder auf den gewünschten Wert reduzieren. Siehe Fall A.
Glücklicherweise haben die in der Industrie eingesetzten Sensoren für physikalische Grössen meist eine sehr geringe Signalbandbreite verglichen mit dem nachfolgenden Datenerfassungssystem. Aufgrund dieser Tatsache sind analoge Filter in vielen Fällen nicht mehr nötig. Wenn die Abtastrate genügend hoch ist reicht ein nachträgliches digitales Filtern, bzw. eine damit verbundene Reduktion der Abtastrate meist aus.
Digitale Filter lassen sich sehr schnell an neue Anforderungen anpassen. Falls dabei aber die Filterordnung steigt, so hat das auch Einfluss auf die benötigte Rechenleistung und in embedded System auf den Stromverbrauch. Digitale Filter haben gegenüber analogen Filtern zudem den Vorteil, dass sich Filtertopologien implementieren lassen, die analog nicht sinnvoll implementierbar sind, z.B. Filter mit sehr hoher Steilheit oder FIR Filter. Letztere haben vor allem dann Vorteile, wenn Sie nicht nur den Frequenzgang, sondern auch den Phasengang, bzw. die Gruppenlaufzeit besser kontrollieren wollen.
Hohe Gruppenlaufzeiten können das Design von Regelkreisen erschweren und im schlimmsten Fall zu einem instabilen Regler führen. Auch hier gilt jedoch wieder der Grundsatz, dass äquivalente digitale Filter und analoge Filter auch dieselbe Gruppenlaufzeit aufweisen. Digitale Filter führen trotzdem häufiger zu Instabilität in schnellen Regelkreisen. Dies liegt jedoch nicht am Filter, sondern daran, dass PC-basierte Datenerfassungssysteme die einzelnen Abtastwerte häufig blockweise verarbeiten. Dies führt zu grossen Latzenzzeiten, bzw. Totzeiten im Regelkreis. Die Blockgrösse muss deshalb in einem solchen Fall zwingend an die Anwendung angepasst werden.
Aus dem gesagten lässt sich schlussfolgern, dass Sie fast alle Messprobleme mit einem analogen Filter 1. Ordnung lösen können. Häufig können Sie sogar ganz auf ein analoges Filter verzichten und den Sensor direkt an das Datenerfassungssystem anschliessen. Um Ihnen die Beurteilung von Datenerfassungssystemen zusätzlich zu erleichtern, haben wir für Sie ein Flussdiagram erstellt. Es enthält die wichtigsten Fragestellungen dieses Blogs in kompakter Form: Antialiasing Selection Flow Chart.
Und noch ein Tipp zum Schluss: Verwenden Sie digitale Mittelwert-Filter (moving-average Filter) nur dann, wenn Sie die Frequenz des Störsignals genau kennen und die Länge des Filters darauf abstimmen können. In allen anderen Fällen gibt es effektivere Lösungen.
Fragen Sie einen unserer Experten, wenn Sie Probleme mit der analogen oder digitalen Verarbeitung von Sensorsignalen haben.
Daniel Megnet
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